Urheberrecht statt «geistiges Eigentum»Die Debatte um die Zukunft des Urheberrechts in einer zunehmend digitalisierten Welt ist keineswegs neu. Neu und bemerkenswert sind allerdings die zunehmende Politisierung, die mediale Aufmerksamkeit und die wachsende Skepsis, mit der eine überwiegend jugendliche Öffentlichkeit dem geltenden Urheberrecht gegenübersteht. Dabei wird hier nur deutlich, was interessierte Kreise längst wissen: dass das heutige System den Bedürfnissen und Herausforderungen der Informationsgesellschaft nicht gewachsen ist und überdacht werden muss. Angemessene Lösungen lassen sich allerdings nur finden, wenn die Beteiligten bereit sind, in analogen Zeiten bezogene Positionen zu überdenken und längst überholte Dogmen fallenzulassen. Zu Letzteren gehört – allen voran – die Lehre vom «geistigen Eigentum».«Verkörperte Gedanken»Historisch lässt sich die Idee des geistigen Eigentums auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückführen. Anknüpfend am weiten Eigentumsbegriff des Naturrechts und ausgehend vom Eigentum am Manuskript wurde damals argumentiert, dass sich das Eigentumsrecht nicht nur auf das Manuskript, als körperlichen Gegenstand, sondern auch auf die in diesem verkörperten Gedanken des Autors erstrecken müsse. Hintergrund dieser Argumentation war das Aufkommen des Büchernachdrucks, der die Verleger zunehmend um ihre Einkünfte brachte. Inhaltlich zielt die Lehre vom geistigen Eigentum damals wie heute darauf ab, die Vervielfältigung von Werken – durch aufwendigen Nachdruck ebenso wie durch einfache elektronische Kopie – mithilfe der Analogie von körperlichem und geistigem Eigentum als Diebstahl zu qualifizieren. Die intuitive Überzeugungskraft des Begriffs hat dem geistigen Eigentum wirkungsgeschichtlich einen geradezu überwältigenden Erfolg beschert. Einer näheren Prüfung hält die Lehre allerdings nicht stand.Ein gültiger Analogieschluss setzt stets voraus, dass die diesem Schluss unterstellten Objekte auch analoge Eigenschaften aufweisen. Auf körperliche und geistige Güter trifft dies aber gerade nicht zu. Während körperliche Güter (etwa ein Fahrrad) zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur von einer bestimmten Person genutzt werden können, zeichnen sich geistige Güter (etwa ein Musikstück) dadurch aus, dass sie gleichzeitig von einer unbeschränkten Zahl von Personen genutzt werden können. In der Ökonomie wird diese Eigenschaft von geistigen Gütern als nicht-rivalisierende Nutzung bezeichnet und von der rivalisierenden Nutzung körperlicher Güter unterschieden. Dies schliesst einen Analogieschluss vom Eigentum an körperlichen Gegenständen auf ein Eigentum an geistigen Gütern aus. Der Blick auf diesen fundamentalen Fehler in der Lehre vom geistigen Eigentum mag zwar lange Zeit verstellt gewesen sein, weil geistige Werke in einer analogen Welt meist als körperliche Werkexemplare verwertet wurden. Spätestens mit der Digitalisierung und der unkörperlichen Verwertung über das Internet wurde der Fehlschluss erkennbar – und die Lehre vom geistige Eigentum als Propaganda entlarvt.Die Frage nach der Zuweisung von Ausschliesslichkeitsrechten an geistigen Gütern ist mit der Abkehr von der Lehre vom geistigen Eigentum allerdings nicht beantwortet, sondern neu gestellt. Beginnen muss die Suche nach einer Lösung mit der Erkenntnis, dass geistige Güter die Merkmale sogenannt öffentlicher Güter aufweisen. Diese zeichnen sich neben der Nicht-Rivalität durch die Nicht-Ausschliessbarkeit ihrer Nutzung aus, also dadurch, dass niemand ihre Nutzung verhindern kann. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besteht bei öffentlichen Gütern damit ein Dilemma: Aufgrund der Nicht-Rivalität werden öffentliche Güter optimal genutzt, wenn die Nutzung durch jedermann frei erfolgen kann. Umgekehrt ist aber wegen der Nicht-Ausschliessbarkeit zu erwarten, dass öffentliche Güter auf dem Markt nicht in ausreichendem Umfang produziert werden, weil die Nutzung durch Dritte nicht verhindert oder von einem Entgelt abhängig gemacht werden kann.Ebendieses Dilemma bildet den Hintergrund und die eigentliche Raison d'Etre des Urheberrechts – auch und gerade in einer digitalisierten Welt. Ausgangspunkt bei der Suche nach einem angemessenen urheberrechtlichen Schutz muss damit die Erkenntnis sein, dass der Ausschluss von der Nutzung öffentlicher Güter gesamtwirtschaftliche Nachteile zur Folge hat und deshalb stets der Begründung bedarf. Im Urheberrecht kann diese Begründung namentlich darin liegen, dass ein öffentliches Interesse an einer ausreichenden Produktion von Werken der Literatur und der Kunst besteht und diese nicht (oder nicht im erwünschten Mass) geschaffen würden, wenn die Urheber und Verwerter dieser Werke nicht in der Lage wären, die Werknutzung zu kontrollieren und auf diese Weise einen angemessenen Ertrag zu erzielen.Optimales GleichgewichtWelche Rechte Urhebern und Verwertern in einer digitalisierten Welt gewährt werden müssen, um ein gesamtwirtschaftlich optimales Gleichgewicht zwischen einer möglichst weitgehenden Nutzung von Werken und ausreichenden Anreizen für deren Produktion und Verbreitung sicherzustellen, ist ein höchst komplexer Entscheid, den der Gesetzgeber auf der Grundlage umfassender soziologischer, ökonomischer und rechtlicher Untersuchungen zu treffen hat. Der Begriff des geistigen Eigentums verstellt hier nur den Blick auf die wahre Komplexität, indem er mit propagandistischer Rhetorik versucht, die Gewährung von Ausschliesslichkeitsrechten an öffentlichen Gütern als vermeintlich zwingend hinzustellen. In der laufenden Debatte dürfte deshalb schon viel gewonnen sein, wenn dieses Dogma aufgegeben und durch den inhaltlich neutralen Begriff des Urheberrechts ersetzt würde.Florent Thouvenin ist Assistenzprofessor für Immaterialgüter- und Informationsrecht und Direktor der Forschungsstelle für Informationsrecht an der Law School der Universität St. Gallen
Er mag ja recht haben, dass die Diskussion in teilen auf Grund falscher Annahmen geführt wird von den Leuten die keine Ahnung haben. Aber z.B. spricht er von einem "Dogma der Lehre des geistigen Eigentums" und das ist einfach völliger Unsinn, denn es gibt so etwas nicht ... Juristen sprechen von Urheberrecht oder Patentrecht und das extra um den Unterschied dieser Rechte zum Eigentumsrecht klar zu machen.
Ähm, Hurz... nur... das ist kein juristischer Text. Wovon Juristen sprechen ist erstmal uninteressant. Es geht ihm ja nur darum, die Idee (also die Lehre) vom "geistigen Eigentum" zu erklären und er führt sie ja auch als Grund an, warum es ein Urheberrecht gibt. Er trennt die Begriffen also imo sehr deutlich.
Nur sieht er die Idee des geistigen Eigentums als Hintergrund hinter dem aktuellen Urherrecht an. Seiner Meinung ist diese Idee aber in einer digitalen Welt Blödsinn und sie sollte deswegen nichts mit einem (benötigten) Urheberrecht zu tun haben. Das lese ich zumindest da als Intention heraus und nicht die Trennung bzw. Verwendung von juristisch korrekten Termini.
Ich weiß nicht - ich glaube immer noch, Du liest da was in den Text rein. Für mich passieren hier drei Dinge:1.) Er erklärt die Idee des "geistigen Eigentums". Wohlgemerkt: Erklärung. Ich sehe da keinen Versuch, irgendetwas zu definieren oder neu zu definieren. 2.) Er zeigt, dass diese Idee Grundlage unseres aktuellen Urheberrechts ist. 3.) Er will, dass 2.) nicht mehr der Fall ist, weil er die Idee als überholt und nicht mehr haltbar ansieht (und da würde ich ihm einfach mal zustimmen).
Ich glaube, die Begrifflichkeiten spielen keine primäre Rolle. Es geht schon darum, den Hintergrund des Urheberrechts (also quasi die Gesetzesgrundlage) zu kritisieren.
Daher hätte man das ganze auch viel kürzer Schreiben können:"Ein geistiges Eigentumsrecht gibt es nicht und das ist ein falscher Begriff, das heißt Urheberrecht."
nur ist der Weg dahin einfach meiner Meinung nach falsch oder zu umständlich erklärt.
Einzige "Neuerung" ist (...)
Wenn niemand irgendwann mal gesagt hätte: "Hey, wir brauchen ein Urheberrecht, weil... ", gäb's auch keins, richtig?
Nur diese Idee, dieses "weil"... das basiert (so lese ich ihn) auf diesem Dogma "geistiges Eigentum". Er kritisiert (zu Recht) quasi den Grundsatz, auf dem das aktuelle Urheberrecht basiert.
Deswegen schreibt er in dem von Dir zitierten Satz auch, dass man das "Dogma aufgegeben" soll - nicht nur einfach den Begriff weglassen, sondern wirklich die Idee "geistiges Eigentum" aufgeben.
Ja... er ist sicher nicht der Erste mit der Erkenntnis. Neu ist das nicht. Aber ich finde, er leitet das Problem eigentlich gut her.
Zitat von: EdHunter am 22. August 2012, 23:28:30Wenn niemand irgendwann mal gesagt hätte: "Hey, wir brauchen ein Urheberrecht, weil... ", gäb's auch keins, richtig?Das ist so entstanden wie das Eigentum, Besitz oder jedes andere Recht, durch die Notwendigkeit etwas zu schützen.Zitat von: EdHunter am 22. August 2012, 23:28:30Nur diese Idee, dieses "weil"... das basiert (so lese ich ihn) auf diesem Dogma "geistiges Eigentum". Er kritisiert (zu Recht) quasi den Grundsatz, auf dem das aktuelle Urheberrecht basiert.Das Problem ist nicht die Idee warum es ein Urheberrecht gibt, denn es kann keinen anderen Grund geben, außer dem einzigen Grund, dass jemand an dem was er erschaffen hat auch ein Recht haben bzw. geschützt werden sollte. Eine andere Idee/Motivation/Beweggrund als das gibt es schlicht und ergreifend nicht, auch nicht bei der Begründung des Autors (die Idee dahinter ist identisch, die Absicht auch) und wenn man diese verneint (also die Schutzwürdigkeit von nicht-körperlichen Dingen), dann wären das ein gigantischer rechtsfreier Raum (geht bei Kunst jeder Art los, über Patente, Markennamen, Design ... einfach alle Dinge die nicht dinglicher Natur sind - 100 Firmen die alle Bayer heißen, irgendetwas verkaufen was sie Aspirin nennen und die identisch aussehen ... finde da mal das heraus dass wirklich hilft).
man kauft nur beim apotheker seines vertrauens. der kauft nur beim "echten" (es gibt schon noch die eine oder andere möglichkeit firmen zu identifizieren) bayer oder kann es, ebenso wie du, selbst herstellen, weil jeder zugriff auf die rezepte hätte.
der gesamten welt würde es ohne das prinzip des geistigen eigentums deutlich besser gehen. dafür angeblich rechtsfreien raum bei kunst und kultur.. ich könnte damit leben.