Ich habe mein Handwerk - das Testen von Computerspielen - auf sehr gründliche Weise gelernt. Mein erster Chefredakteur reichte mir meine Texte gewöhnlich mit einer Reihe von Fragen zurück, die mit rotem Stift an den Rand des Blattes gesetzt waren: Wie funktioniert das Erfahrungssystem? Welche Fahrzeuge besitzt die dritte Kriegspartei? Wie verhält sich der Computergegner auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad?Wer fair über Spiele urteilen will, so lernte ich, der muss ihre Funktionsweise gewissenhaft ausleuchten. Ich war ein guter Schüler. Als ich später selbst junge Redakteure anleitete, habe ich diese Akribie an sie weitergegeben. Das ist etwas, das ich jetzt, im fortgeschrittenen Alter von 34 Jahren, bereue.Wir haben das Falsche gelernt.Videospiele sind auf den Weg in die Mitte der Gesellschaft. Gleichzeitig befindet sich der Fachjournalismus, die professionelle Kritik dieser Spiele, auf dem umgekehrten Pfad. Er bewegt sich aus der Mitte der Gesellschaft an ihren Rand....
im fortgeschrittenen Alter von 34 Jahren
Außerdem lässt mich mein Schaf nicht mehr ran
Man sollte es auch nicht auf die Spitze treiben. Wenn Adidas einen neuen Turnierfußball rausbringt dann redet man auch nicht endlos darüber wie seine Musterung die Mentalität des Austragungsortes wiederspiegelt.
Edge
Viel interessanter ist bspw. die gesellschaftliche oder künstlerisch-ästhetische Relevanz und die Aussagen, die man erhält, wenn man vom eigentlichen Werk abstrahiert. Würde man Videospiele genauso behandeln, wie Fachzeitschriften es mit Alben, Filme, Theaterstücke, Bücher etc. tun, dann wäre viel dafür getan, sie auch als wichtiges Kulturgut darzustellen, was sie voll und ganz sind.
Man muss auch die Kirche im Dorf lassen, denn Spiele wollen (in der absoluten Mehrheit) unterhalten, ablenken und Spaß bieten. Das unterscheidet sie von vielen Filmen, Büchern oder Musikstücken, bei denen der Schaffende eine andere Intention hat (Gesellschaft kritisieren, etc.).
Dass so ziemlich alle Spiele fast vollständig auf Unterhaltung ausgerichtet sind ist klar und ist die Grundvorraussetzung. Aber es gibt doch Spiele, bei denen gesellschaftsrelevante und/oder künstlerische Aspekte zumindest existieren. Natürlich sind solche Aspekte primär in anderen Medien, wie der Musik oder dem Film, enthalten, aber auch bei denen geht es doch letztendlich (fast) immer primär um Unterhaltung.
Dazu muss man immer noch sagen, dass Games noch immer relativ jung sind. Das wird sich weiter entwickeln und genauso wie Filme auch "ernstere" Themen beleuchten.
Und wenn Dir bei DXHR eine "wirkliche Auseinandersetzung mit der Thematik fehlt", dann kann man das ja auch so schreiben. Dann ist eben der Autor des Reviews der Meinung, dass ihm das nicht anspruchsvoll genug ist oder whatever. Aber meistens wird das ja gar nicht aufgegriffen.
Ist aber auch nicht das Gelbe vom Ei ... kommt auf den persönlichen Geschmack an und ob man einen Schreiber findet, der einem ähnlich ist von den Vorlieben.
oder wo steckt ernsthaft betrachtet die große gesellschaftskritische Aussage bei Herr der Ringe, Conan, Transformers, Braindead oder Scream - um einfach ein paar Filme zu nennen?
Natürlich haben viele Filme keine wirkliche Aussage - oder wo steckt ernsthaft betrachtet die große gesellschaftskritische Aussage bei Herr der Ringe, Conan, Transformers, Braindead oder Scream - um einfach ein paar Filme zu nennen? Selbstredend sind das reine Werke zur Unterhaltung und das machen sie (je nach Geschmack) auch sicher gut, aber daneben gibt es eine Unzahl von Werken die auf verschiedene Art und Weise Themen aufgreifen und kritisch beleuchten, Zustände kritisieren usw. Das war aber auch dann der Wille der Leute die den Film gemacht haben und auch wenn die auch unterhalten wollen, so tun sie das mit einer anderen Absicht und eben "auch" und nicht "nur".Bei der absoluten Mehrzahl der Spiele geht es rein um Unterhaltung und es wird noch nicht mal ein Versuch unternommen irgendein relevantes Thema ernsthaft zu thematisieren. Nehmen wir doch einfach mal die Spiele die wir in den letzten Wochen hier im Forum erwähnt haben - bis auf Deus Ex fällt mir kein Spiel ein, welches auch nur einen leisen Ansatz von dem hätte, was man "ernsthaft" bezeichnen könnte.