http://www.golem.de/0707/53287.htmlzu viel zum kopieren, aber trotzdem bitter..
Von Klaus Graf, RWTH AachenE-Mail: <klausgraf@googlemail.com>Die Bemühungen des Urheberrechtsbündnisses[1], im Zuge der Novellierungdes deutschen Urheberrechtsgesetzes ("Zweiter Korb") einwissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht durchzusetzen, waren nichterfolgreich. Der deutsche Bundestag blieb bei seinen Beschlüssen[2] weithinter dem zurück, was das Urheberrechtsbündnis gefordert hatte. Diesbetrifft sowohl die Regelung beim Kopienversand der Bibliotheken alsauch bei der Wiedergabe von Werken an Leseplätzen in Bibliotheken,Museen und Archiven.Bibliotheken dürfen Kopien künftig elektronisch nur noch als grafischeDatei versenden und auch nur dann, wenn Verlage nur ein unangemessenesPay-per-view-Angebot machen (künftig: § 53a UrhG). Die rasche und vorallem preislich moderate wissenschaftliche Literaturversorgung durchDokumentdirektlieferdienste wie SUBITO wird in absehbarer Zeit derVergangenheit angehören. Lieferungen per Post oder Fax werden wiederzunehmen, da die Monopolpreise der Verlage für viele Institutionen nichterschwinglich sind.Der künftige § 52b gestattet, dass an speziellen Leseplätzen inBibliotheken (bzw. Museen und Archiven) Werke elektronisch angebotenwerden dürfen. Eine campusweite Nutzung ist nicht möglich, und es dürfenauch im Regelfall nur so viele Nutzer gleichzeitig auf das Angebotzugreifen, wie Exemplare des betreffenden Werks im Bestand sind. Auchdiese künstliche Verknappung des potenziellen digitalen Mehrwerts istmit den Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft nicht zuvereinbaren.[3]Eine vom Bundesrat vorgeschlagene "Open Access"-Klausel, die esöffentlich geförderten Urhebern ermöglicht hätte, nach einer Sperrfristohne Zustimmung des Verlags ihre Arbeiten online kostenfrei in einerZweitveröffentlichung zugänglich zu machen, wurde vom Bundestag nichtaufgegriffen.Resultat des Gesetzgebungsprozesses ist also ein weitgehend"wissenschaftsverlagsfreundliches" Urheberrecht. Zufrieden ist man inden Bundestagsfraktionen mit dem Ergebnis des "Zweiten Korbs"keineswegs. Man ist sich vielmehr darüber einig, dass ein "Dritter Korb"unumgänglich ist. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesrat im Septemberden Vermittlungsausschuss anrufen wird. Wahrscheinlich erscheint diesnicht, das Gesetz könnte also Ende diesen oder Anfang nächsten Jahreswie beschlossen in Kraft treten.[4]Unmittelbare Auswirkungen auf die Wissenschaft hat die Neuregelung dersogenannten "unbekannten Nutzungsarten", denn mit dem Inkrafttreten derUrheberrechtsnovelle beginnt eine Jahresfrist zu laufen.Bisher bestimmte § 31 Abs. 4 UrhG, dass Verträge über unbekannteNutzungsarten unwirksam sind. Das galt für Verträge, die ab demInkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 geschlossenwurden. Da die Online-Nutzung erst ab ca. 1995 als bekannte Nutzungsartgilt, kann man bei früher erschienenen Werken davon ausgehen, dass dieOnline-Rechte nicht per Verlagsvertrag an den Verlag übergegangen sind,also noch beim Autor liegen. Der Autor könnte also sein z.B. 1980erschienenes Buch auch ohne Zustimmung des Verlags onlinewiederveröffentlichen.Das wird sich ändern. Der Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte (inder Regel also der Verlag) erhält nun auch die Online-Rechtezugesprochen. § 31 Abs. 4 UrhG wird gestrichen. Allerdings hat der Autorein Jahr nach Inkrafttreten Zeit, dem Anfall der Nutzungsrechte an denVerlag zu widersprechen, sofern dieser nicht schon mit der Nutzungbegonnen hat. Versäumt er diese Frist (z.B. weil er nichts von ihrweiß), kann ein Wissenschaftler nicht mehr ohne Zustimmung des Verlagsseine Bücher "Open Access" zur Verfügung stellen. (Es sollte allerdingserwähnt werden, dass § 41 UrhG die Möglichkeit vorsieht, einunzureichend ausgeübtes ausschließliches Nutzungsrechtzurückzurufen.[5])Verschiedene Universitäten (insbesondere die RWTH Aachen und dieUniversität Gießen) haben, einer Empfehlung der DeutschenForschungsgemeinschaft bzw. des DFG-Ausschusses für wissenschaftlicheBibliotheken und Informationssysteme folgend, ihre Wissenschaftler überdie neue Situation informiert. Aus dem Gießener Schreiben:"Sobald diese Regelung in Kraft tritt, dürften die bisherigenVeröffentlichungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von denVerlagen digitalisiert werden, um sie anschließend über das Internetgegen an den Verlag zu entrichtende Lizenzgebühren zur Verfügung zustellen. Die Autorinnen und Autoren selbst hätten dann keine Möglichkeitmehr, ihre in früheren Jahren erschienenen Publikationen etwa inHochschulschriften einzupflegen, um diese im Open Access anzubieten. Umdas Eintreten dieser Situation zu vermeiden, empfiehlt der Ausschuss fürwissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI), dassAutoren bei denjenigen Verlagen, bei denen sie bislang publiziert haben,mit einem formellen Schreiben Widerspruch einlegen. Auf diese Weisekönnen die Autoren sich das Recht vorbehalten, ihre Publikationen auchnach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle für den weltweiten freien Zugriffin das Internet einzupflegen.Um Widerspruch einzulegen, können Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler z.B. einen von der IuK-Kommission der DeutschenGesellschaft für Psychologie (DGP) erarbeiteten Musterbrief verwenden,der über die Homepage der DGP abgerufen werden kann (s.u.http://www.dgps.de/dgps/kommissionen/iuk/005.php )."[6]Der Musterbrief lautet:"Sehr geehrte Damen und Herren,mit der in der aktuellen Gesetzesnovellierung geplanten Änderung in §31a UrhG-E 2006 „Verträge über unbekannte Nutzungsarten" und in § 137 lUrhG-E 2006 „Übergangsregelung für neue Nutzungsarten" bin ich nichteinverstanden. In dem Gesetzentwurf wird mir ein Widerspruchsrechteingeräumt, was ich mit diesem Schreiben wahrnehmen möchte. Soferndieses Gesetz in Kraft tritt und eine Regelung für die unbekanntenNutzungsarten enthält, widerspreche ich jeder Nutzungsart, die zu derdamaligen Zeit meiner Veröffentlichung noch unbekannt war. DieserWiderspruch gilt für alle meine Veröffentlichungen in Ihrem Verlag.Sollten Sie die Nutzungsrechte, die ich Ihnen eingeräumt habe, an einenDritten übertragen haben, bitte ich um eine unverzügliche Mitteilung,wie es mir der § 137l Abs. 2 UrhG-E 2006 zusichert, an wen die Rechteveräußert worden sind.Ich bitte um Bestätigung meines Widerspruchs für jede einzelnePublikation.Mit freundlichen Grüßen"Es wäre sinnvoll, dass alle Urheber im wissenschaftlichen Bereich vondieser Möglichkeit des Widerspruchs in Kenntnis gesetzt würden.Bei Zeitschriften und unvergüteten Beiträgen zu Sammelbänden (z.B.Festschriften) gibt es eine Wissenschaftlern wenig bekannteSonderbestimmung im Urheberrecht: § 38 UrhG sieht vor, dass dieausschließlichen Rechte nur für ein Jahr beim Verlag liegen, sofernnichts anderes ausdrücklich vereinbart ist. Da sich die Verlagsrechtenur auf Vervielfältigung und Verbreitung, nicht aber auf die für dieInternetnutzung erforderliche öffentliche Wiedergabe beziehen, sprichtalles dafür, dass Wissenschaftler bei der Online-Nutzung die Jahresfristseit der Novellierung von 2003 nicht einhalten müssen [8]. Andersverhält es sich, wenn sie ihren Aufsatz unter eine Creative Commons oderandere freie Lizenz stellen möchten, da sich diese auch auf eineDruckveröffentlichung bezieht. Es wären dafür die Rechte des Verlags unddie Jahresfrist zu beachten.Da die ausschließlichen Nutzungsrechte bei Zeitschriftenaufsätzen,sofern kein Verlagsvertrag besteht, dem Verleger nur für ein Jahrzustehen, wäre es nicht erforderlich, den Anfall der ausschließlichenNutzungsrechte bei unbekannten Nutzungsarten zu widerrufen. Wer sichergehen will, wird aber auch bei Verlagen Widerspruch einlegen, die solcheBeiträge von ihm publiziert haben.Während es bei geisteswissenschaftlichen Zeitschriften bis heute häufigunüblich ist, dass eine vertragliche Regelung mit dem Verlag über dieNutzungsrechte erfolgt, wird man in Zukunft damit rechnen müssen, dassauch bei der Publikation von Aufsätzen dem Autor Verlagsvereinbarungenvorgelegt werden. Alle maßgeblichen Wissenschaftsförderorganisationenhaben sich dem Ziel "Open Access" verpflichtet und empfehlen dringend,diese Verträge um eine Klausel zu ergänzen, mit der sich der Autor dieMöglichkeit vorbehält, den Beitrag "Open Access" erneut zuveröffentlichen [8]. Zuletzt hat der Schweizer NFR unterstrichen:"Die Beitragsempfängerinnen und Beitragsempfänger sind verpflichtet,sich soweit möglich zwecks Sicherstellung von Open Access bzw.entgeltfreier nicht kommerzieller Nutzung in Verlagsverträgen ein nichtausschliessliches Verwertungsrecht zur elektronischen Publikation ihrerForschungsergebnisse fest und dauerhaft vorzubehalten."[9]Wer die freie Zugänglichkeit wissenschaftlicher Literatur nach denGrundsätzen von "Open Access" unterstützt, sollte sowohl innerhalb derJahresfrist von seinem Widerspruchsrecht bei älteren Arbeiten vor 1995gegenüber den jeweiligen Verlagen Gebrauch machen als auch bei künftigenVerlagsverträgen die Open-Access-Option ausdrücklich ergänzen. Da es nurempirische Befunde gibt, dass "Open Access" dem Verkauf gedruckterPublikationen nützt (statt schadet) [10], sollte dies auch imwirtschaftlichen Interesse der Verlage sein.Klaus GrafHinweis: Um eine weite Verbreitung der Information zu ermöglichen, isteine gänzlich freie Nutzung dieses Beitrags mit Quellenangabeunwiderruflich gestattet.Anmerkungen:[1] http://www.urheberrechtsbuendnis.de (29.08.2007)[2] Der beschlossene Gesetzestext:http://dip.bundestag.de/btd/16/059/1605939.pdf (29.08.2007)[3] Zur Kritik siehe auch:http://archiv.twoday.net/stories/4055807/ (29.08.2007)http://archiv.twoday.net/stories/4056977/ (29.08.2007)[4] http://bibliotheksrecht.blog.de/2007/08/28/der_zweite_korb_im_bundesrat~2882228(29.08.2007)http://bibliotheksrecht.blog.de/2007/07/23/der_zweite_korb_ist_noch_nicht_durch~2687801(29.08.2007)[5] Details dazu:http://archiv.twoday.net/stories/4069056/ (29.08.2007)[6]http://www.uni-giessen.de/cms/organisation/dez/dezernat-b/dienstleistungen/TestB1/novellierung-urheberrecht-2007/file(29.08.2007)[7] http://archiv.twoday.net/stories/2962609/#3146270 (29.08.2007)[8] Näheres unterhttp://oa.helmholtz.de/index.php?id=63 (29.08.2007)[9]http://www.snf.ch/SiteCollectionDocuments/Dossiers/dos_OA_Weisung_d.pdf(29.08.2007)[10] http://archiv.twoday.net/stories/3326893/ (29.08.2007)URL zur Zitation dieses Beitrageshttp://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/type=diskussionen&id=930------------------------------------------------------------------------Copyright (c) 2007 by H-Net, Clio-online, and the author, all rightsreserved. 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